In der Villa des Dik­ta­tors

Der Einblick in Räume, die der Öffentlichkeit für gewöhnlich nicht zugänglich sind, hat einen eigenen Reiz –  und eine düstere Komponente, wenn ein Diktator und seine Familie das Haus bewohnten. Eine neue Publikation wirft einen Blick in die Villa des albanischen Diktators Enver Hoxha (1908–1985).

Date de publication
01-07-2025

Enver Hoxha baute seit 1941 die Kommunistische Partei Albaniens auf und setzte sich zielstrebig an die politische Spitze des Landes. Ein einleitender Essay schildert seinen Werdegang. Im Anschluss an die frühere Zugehörigkeit zum Gebiet des italienischen Königreichs unterlag Albanien ab 1939 bis zur Kapitulation 1943 dem Protektorat der italienischen Faschisten. 

Die Möbel und Ausstattungen, die das Erscheinungsbild der 1974 in der Hauptstadt Tirana entstandenen «Vila 31» prägen, stammen zum grossen Teil aus dem Sortiment italienischer Kaufhäuser. Diese galten noch in den 1970er-Jahren als rares Gut, denn gewöhnlichen Bürgerinnen und Bürgern blieb der Zugang dort verwehrt. 

Der Umbruch von den repräsentativen Gewohnheiten der vorangegangenen königlichen Regierung, hin zum Wohnen nach kommunistischen Maximen ist anhand der Einrichtung und Nutzung der Räume nachvollziehbar. Der Ausdruck der Villa changiert zwischen pragmatischen privaten Bereichen, deren Feriensiedlungsgroove man förmlich zu riechen scheint, und Räumen, die ein doch nicht ganz zu verdrängendes Machtbewusstsein widerspiegeln. 

Die klischeehaften Insignien bleiben aber merkwürdig vereinzelt: Hier etwas Marmor, dort ein Kandelaber – ein schlüssiger Ausdruck stellt sich nicht ein. Als weitere Ebene erwecken regional gefertigte Möbel wie Garderoben oder Wandverkleidungen den Anschein, jemand habe einen individuellen Geschmack und dazu Freude am Handwerk gehabt. 

2019 erhielt Philipp Funke die Gelegenheit, die seit 1991 leer stehende Villa zu besuchen. Mit seinem Blick durch die Kamera hält er die Ambivalenz zwischen dem Anspruch an eine Moderne – starke Farbflächen, Muster oder ein seltsam deplatzierter Pool – und der gelebten Kleinbürgerlichkeit fest. Die vollkommene Abwesenheit repräsentativer Räume im Privaten entspricht dem kommunistischen Selbstverständnis. 

Ausgehend von architekturdokumentarischen Abbildungen der Räume bewegt sich der Blick durch die geöffneten Türen und entlang der Oberflächen. Scheinbar beiläufig gelingt es dem Architekten und Fotografen, den Fokus auf die Spuren der früheren Bewohnenden zu lenken. Sie finden sich nicht nur in den Dingen, sondern hängen gleichsam in der Luft und rufen die menschenverachtenden Verhältnisse ins Gedächtnis, unter denen die albanische Bevölkerung zu leiden hatte. 

Heute steht das Haus Kunstschaffenden offen, die dem Ort mit ihrer Präsenz eine neue Schicht hinzufügen. 

Philipp Funke: A Dictator's Home. Im Enver Hoxhas Vila 31. Revolver Publishing, Berlin 2025. Hardcover, 180 Seiten, 60 farbige, teils doppelseitige Abbildungen, 25 x 32.5 cm, Deutsch, Englisch und Albanisch, ISBN 978-3-95763-550-1, Fr. 59.–

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