Zwi­schen Er­hal­ten und Er­neu­ern

Die neue Ausstellung am Schweizerischen Architekturmuseum S AM zeigt unter dem Titel «Was War Werden Könnte: Experimente zwischen Denkmalpflege und Architektur» aktuelle Projekte, die die beiden Disziplinen in einen Dialog treten lassen.

Publikationsdatum
23-04-2025

Vor fast 20 Jahren gewann der spanische Architekt Rafael Moneo den Wettbewerb für ein neues Kongresshaus in Zürich. Dafür hätte das bestehende, denkmalgeschützte Kongresshaus von Haefeli Moser Steiger aus dem Jahr 1937 abgerissen werden müssen. Doch 2016 lehnte die Zürcher Stimmbevölkerung den Abriss und den Neubau ab. 

Acht Jahre später stimmte sie für die Instandsetzung des über die Jahrzehnte durch Um- und Einbauten veränderten Gebäudeensembles aus Kongresshaus und Tonhalle. Die ARGE Boesch Diener, bestehend aus Elisabeth & Martin Boesch Architekten und Diener & Diener Architekten, brachte die Qualitäten des letzten baulichen Zeugen der Landi-Ausstellung wieder zum Vorschein und stärkte das Ensemble.

Dieses Paradebeispiel zeigt auf, wie sich das Bewusstsein der Gesellschaft bezüglich Erhalt und Neubau wandelt. Die kürzlich eröffnete Ausstellung im Schweizerischen Architekturmuseum S AM in Basel widmet sich diesem Thema unter dem Titel «Was War Werden Könnte: Experimente zwischen Denkmalpflege und Architektur». Sie entstand in Zusammenarbeit mit der Professur von Silke Langenberg für Konstruktionserbe und Denkmalpflege an der ETH Zürich und unter der künstlerischen Leitung von Andreas Ruby (S AM). Ausstellungskurator ist Yuma Shinohare (S AM).

Gegen den Bauboom 

Was können Architektur und Denkmalpflege voneinander lernen? In welchem Dialog stehen sie? Mit diesen Fragen blickt das S AM auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beider Disziplinen. Anlass für die Ausstellung bot das 50. Jubiläum des Europäischen Denkmalschutzjahres 1975. In dieser Zeit des Baubooms begünstigte der Fortschrittsglaube die radikale Abrisskultur zugunsten des Aufbaus einer modernen Stadt. Nie wurde mehr und schneller, ohne Bedenken und schlechtes Gewissen neu gebaut. Dies bewegte Denkmalschützer und die damals schon aufkommende ökologische Bewegung dazu, eine Initiative gegen den Abrisswahn zu lancieren.

Kein Wunder, dass sich daraus eine ablehnende Haltung gegenüber denkmalpflegerischen Grundsätzen entwickelte. Das Verhältnis von Architektur und Denkmalpflege war über Jahrzehnte von grossem Misstrauen geprägt. Es gab wenig Dialog zwischen den Befürwortern und Gegnern. Das ist heute anders, nicht nur aufgrund der Notwendigkeit, den CO2-Ausstoss zu reduzieren und damit den Abbruch von Bestand möglichst zu vermeiden. 

Mit der Analyse und Vermittlung von aktuellen Projekten zwischen Denkmalpflege und Architektur setzte sich eine Gruppe Studierender der Lehrgänge MAS Denkmalpflege und Konstruktionsgeschichte, CAS Preservation sowie MSc Architektur der ETH Zürich im Herbstsemester 2024 auseinander. Die untersuchten und in der Ausstellung gezeigten Projekte stellen eine Bandbreite von Typologien, Massstäben, Ansätzen und Eingriffstiefen dar. Sie zeigen, dass die Arbeit mit historischen Bauten selten standardisierte Lösungen zulässt, sondern jeder Ansatz durch einen intensiven Analyse- und Verhandlungsprozess auf das jeweilige Objekt zugeschnitten werden muss. 

Sehr anschaulich zeigt dies die Umnutzung des Gemeindehauses Oekolampad in Basel. Die 1931 erbaute Anlage aus Kirche und Gemeindehaus ist gesamthaft geschützt. Vécsey*Schmidt Architekt*innen griffen nur wo notwendig und vor allem im Innenraum in den Bestand ein. Im ehemaligen Kirchensaal ist neu eine Theaterbox platziert. Der umlaufende Gang und die erhaltene Empore machen die Raumdimension weiterhin erfahrbar. 

Manchmal steckt gerade in den subtilen oder unsichtbaren Eingriffen wie dem Umbau der Alten Reithalle in Aarau, wo Vorhänge den Raum unterteilen, die meiste Arbeit. Auch wenn die Projekte in der Ausstellung den «Leitsätzen zur Denkmalpflege in der Schweiz» zugeordnet werden, sind nicht alle der vorgestellten Bauten denkmalgeschützt. In vielen Fällen kam der Impuls, den Bestand so behutsam wie möglich zu behandeln oder gar zu erhalten, von den Planenden selbst – ohne gesetzliche Vorgabe und manchmal an den ursprünglichen Absichten der Bauherrschaft vorbei. So hätte die Aluminiumfassade des Gebäudes der Basler Kantonalbank aus dem Jahr 1966 beispielsweise ersetzt werden sollen. Auf Anraten der Architekten wurde sie jedoch lediglich energetisch saniert, wodurch alle Elemente erhalten bleiben konnten.

Jede Generation definiert ihre Denkmäler neu. Eine Bar im letzten Raum der Ausstellung lädt dazu ein, diesen Aushandlungsprozess zu führen. Sie ist nicht zufällig hier platziert: Bis 2003 existierte an dieser Stelle bereits eine von Diener & Diener für die Kunsthalle entworfene Bar. Für die Ausstellung greift das junge Architekturkollektiv squadra deren Geschichte auf und interpretiert sie neu als «Denk-Mal-Bar» mit Materialien und Möbeln aus den vorangegangenen Ausstellungen. Weitere Möglichkeiten zum Austausch und für Entdeckungen bietet das umfangreiche Begleitprogramm zur Ausstellung. Die Schau ist noch bis zum 14. September 2025 zu sehen.

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