Il­lu­sio­nis­tische Sze­no­gra­fie

Die Ausstellung «Glänzendes Kunsthandwerk. Bossard Goldschmiede Luzern» in der Ruhmeshalle des Landesmuseums präsentiert das glanzvolle Schaffen der gleichnamigen, im 19. Jahrhundert weltberühmten Werkstatt. Bureau Hindermann inszeniert die Ausstellung als raffiniertes Vexierspiel zwischen Glanz und Schein.

Date de publication
25-03-2025
Ariana Pradal
Journalistin | Ausstellungsmacherin für Design und Architektur

Als Reaktion auf die industriell gefertigten Massenprodukte erlebte das Kunsthandwerk im 19. Jahrhundert eine Blütezeit. Ein Besuch im Goldschmiedeatelier Bossard in Luzern und der Kauf eines Objekts gehörten für betuchte Schweizer und Touristen im 19. Jahrhundert zum guten Ton. Bossards umfangreicher Nachlass mit Zeichnungen, Modellen, Objekten und Fotografien gelangte 2013 in die Sammlung des Schweizerischen Nationalmuseums. Eine Auswahl davon ist nun erstmals in der Ruhmeshalle zu sehen.

Handwerk ist Kunst

Zu Bossards Kundschaft gehörten europäische Adelsfamilien, reiche Industrielle, aber auch Kirchen, Zünfte und Vereine. Das Goldschmiedeatelier bestand über mehrere Generationen und erlebte seinen Höhenpunkt mit Johann Karl Bossard (1846–1914), der das Handwerk von seinem Vater erlernt hatte. 

Die bis zu 20 spezialisierten Mitarbeiter des Ateliers schufen nicht nur eigene Entwürfe, sondern fertigten auch detailgetreue Kopien historischer Objekte aus Gotik, Renaissance und Barock an. Das Angebot umfasste alles, was glänzte: Pokale, Tafelaufsätze, Schmuck, Silberbesteck und prächtige Dolche. 

Die mit der Ausstellungsgestaltung beauftragten Innenarchitekten des Zürcher Bureau Hindermann stellten sich die Frage, wie sie die opulenten und heute kaum mehr gebräuchlichen Objekte inszenieren können, so dass sie im 21. Jahrhundert verstanden und geschätzt werden. 

Dazu griffen sie historistische Motive in Bossards Werk auf, etwa das Spiel mit Original und Kopie. Bureau Hindermann übersetzte dies in eine illusionistische Szenografie aus Farben, Perspektiven und Spiegeln. 

Spiel mit Glanz und Schein

In einem ersten Raum werden die Besucher und Besucherinnen eingeladen, den Handwerkern in der Werkstatt über die Schulter zu schauen. An einem Ende glänzt der goldene Eidgenossenpokal in einer kaleidoskopartigen Spiegelvitrine, am anderen Ende wacht das Porträt von Johann Karl Bossard über das Treiben in seinem Atelier. Exponate in verschiedenen Vitrinen dokumentieren den Prozess von der Skizze über das Modell bis zu den unterschiedlichen Stadien der Objektbearbeitung. 

So können die Entstehung und die verschiedenen Handwerkstechniken nachvollzogen werden. Hier wird Besucherinnen und Besuchern bewusst, wie viel Arbeit und Können in jedem einzelnen Stück steckt. 
Durch eine Türöffnung mit tiefer Laibung mit Trompe-l'Oeil Holzmalerei gelangt man in die Werkschau, die als Spiegelsaal inszeniert ist. 

Zwischen zwei grossen Spiegelfronten entfaltet sich ein sich endlos reflektierender Korridor, in dem sich die grossen Vitrinen mit den funkelnden Preziosen präsentieren. Das illusionistische Spiel lässt diesen Teil der Ausstellung inklusive der neogotischen Architektur der Ruhmeshalleviel grösser und opulenter erscheinen, als er tatsächlich ist, was den Ausstellungsbesuch durch das räumliche Erlebnis zusätzlich bereichert. 

Durch eine weitere Öffnung betritt man den dritten und letzten Teil der Ausstellung. Der in Blau gehaltene Raum zeigt den Tourismus in Luzern zur Zeit Bossards. Vor einer überdimensionalen Postkarte können an einer Fotostation digitale Grusskarten erstellt und verschickt werden. Dahinter gewährt eine Medienstation Einblick in das historische Gästebuch des Ateliers. Eine kunstvoll gestaltete Landkarte aus über 200 Postkarten zeigt die faszinierenden Wege und Beziehungsnetze, auf denen die kostbaren Stücke ihren Weg um die Welt fanden.

Re-use im Ausstellungsbau

Unauffällig haben die Innenarchitektinnen und -architekten in der aktuellen Ausstellung Material aus der vorherigen Szenografie, die sie für das Landesmuseum geplant hatten, wiederverwendet. So sind die 200 Postkarten aus strukturierten Acrylglas gefertig, das bei der Schau «Wild und Schön» über die Schweizer Modedesignerin Ursula Rodel an einer Stelle als Bodenbelag diente. Auch die halbrunde Sitzfläche wurde bereits bei der letzten Ausstellung in einer anderen Farbe verwendet. 

Und auch aus dieser Schau wird Bureau Hindermann Elemente übernehmen, denn die Innenarchitekten bereiten bereits die nächste Szenografie zum Thema «Accessoires. Objekte der Begierde» in der Ruhmeshalle vor. Es ist erfreulich, dass das Thema Re-Use auch im schnelllebigen Ausstellungsbau immer mehr Beachtung findet. 

➔ Die Ausstellung «Glänzendes Kunsthandwerk. Bossard Goldschmiede Luzern» ist noch bis 6. April im Landesmuseum in Zürich zu sehen.

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