Regelungen für das leistungsbezogene Entwurfsverfahren für Beton
Mit der Einführung des nationalen Anhangs ND «Regelungen für das leistungsbezogene Entwurfsverfahren zur SN EN 206:2013+A2 Beton – Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität» darf in der Schweiz für Beton erstmals das leistungsbezogene Entwurfsverfahren angewendet werden. Dadurch können Materialien aus der Kreislaufwirtschaft und CO2-optimierte Ausgangsstoffe verwendet und damit ökologisch nachhaltigere Betone entworfen werden.
Bislang basiert die Norm SN EN 206:2013+A2:2021 «Beton – Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität» (im Folgenden SN EN 206) neben der Vorgabe von Eigenschaften auch auf einem präskriptiven Konzept, bei dem für jede Betonsorte ein Mindestzementgehalt und ein maximaler Wasserzementwert eingehalten werden muss.
Für Betonzusatzstoffe findet das k-Wert-Konzept Anwendung. Um mehr Flexibilität und Innovation für die Entwicklung neuer Betonrezepturen – insbesondere mit reduzierten Treibhausgasemissionen – und Reduktion von übermässigen Vorhaltemassen zu ermöglichen, wurde zur SN EN 206 der nationale Anhang ND «Regelungen für das leistungsbezogene Entwurfsverfahren» erarbeitet. Er ist seit 1. Februar 2025 gültig, regelt ein leistungsbezogenes Entwurfsverfahren und kann für alle Betonsorten ergänzend zum auch weiterhin möglichen Ansatz (Anhang NA) eingesetzt werden.
Das Prinzip des nationalen Anhangs ND
Betone nach nationalem Anhang ND werden ausschliesslich nach ihrer Leistungsfähigkeit und konsequent bezüglich ihrer Eigenschaften beurteilt. Für diese Betone entfallen die Vorgaben zur Zusammensetzung und die Anwendung des k-Wert-Ansatzes.
Ein Beton nach nationalem Anhang ND gehört einer Betonsorte gemäss Tabelle NA.5 oder NA.8 der SN EN 206 an und kann für die dort aufgeführten Expositionsklassen verwendet werden. Er muss die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit erfüllen. Dies betrifft die Regelungen zur festgelegten Konsistenz, die grundlegenden Anforderungen gemäss der Tabellen NA.5 und NA.8 sowie die schweizerischen Dauerhaftigkeitsprüfungen gemäss NA.8.2.3.4 und Tabelle NA.14. Zusätzliche Anforderungen können projektspezifisch vereinbart werden.
Analog zu Betonen nach Eigenschaften mit präskriptiven Vorgaben gemäss SN EN 206, Ziffer 5.1, müssen alle Betonbestandteile ihrer entsprechenden Produktnorm, beziehungsweise einer Europäischen Technischen Bewertung (ETB) genügen. Zudem müssen die Zemente und Zusatzstoffe für die Verwendung in der Schweiz freigegeben sein (siehe Register der freigegebenen Zemente www.sia.ch/register. Aber die Zuordnung der freigegebenen Zemente zu den Betonsorten entfällt.
Die Zusammensetzungen der Betone nach nationalem Anhang ND ist so zu wählen, dass die geforderten Frisch- und Festbetoneigenschaften für die jeweilige Betonsorte erfüllt sind.
Betone gemäss nationalem Anhang ND müssen auf dem Lieferschein kenntlich gemacht werden, beispielsweise «NPK A-ND». Sollten seitens Bauherrschaft oder Planenden kein Beton gemäss nationalem Anhang ND zulässig oder gewünscht sein, ist dies vertraglich festzuhalten, zum Beispiel mit einer Formulierung wie «Beton gemäss SN EN 206:2013+A2, nationaler Anhang NA».
Es ist zu beachten, dass Betone nach nationalem Anhang ND bezüglich der zu erreichenden Frisch- und Festbetoneigenschaften optimiert sind und daher nur ein geringes Vorhaltemass aufweisen. Dies kann dazu führen, dass der Frischbeton weniger robust auf Veränderungen reagiert als herkömmlicher Beton. Eine Veränderung der Zusammensetzung, etwa durch Zugabe von Wasser auf der Baustelle, kann deshalb die Stabilität des Frischbetons negativ beeinflussen.
Eine unzureichende Nachbehandlung kann zu einer reduzierten Festigkeit und/oder Dauerhaftigkeit des Betonbauteils führen. Darum ist es wichtig, dass bei der Verarbeitung solcher Betone mit grosser Sorgfalt gearbeitet und die Arbeit überwacht wird.
Prüfungen von Betonen nach nationalem Anhang ND
Die Regelungen der SN EN 206 zur werkseigenen Produktionskontrolle zu Prüfhäufigkeiten und zur Konformität sind einzuhalten. Da mit Beton nach nationalem Anhang ND noch wenig praktische Erfahrung besteht, ist ein erhöhter Prüfaufwand erforderlich. So darf das Konzept der Betonfamilien bei diesen Betonen nicht angewendet werden. Die Leistungsfähigkeit ist für jeden ND-Beton einzeln nachzuweisen. Zudem muss für die Betonsorten F-ND und G-ND auch der Karbonatisierungswiderstand im Rahmen der Erstprüfung und danach jährlich geprüft werden.
Die Regelungen bezüglich «wasserdichtem Beton (WD-Beton)» im nationalen Anhang NA sind unverändert gültig. Die Betonsorten C-ND bis G-ND gelten bei Bauteildicken von mindestens 250 mm und drückendem Wasser bis maximal 1 bar als wasserdicht.
Bezüglich Erstprüfungen gelten die Regelungen in SN EN 206, Anhang A. Diese ist zu wiederholen und die Betonzusammensetzung gegebenenfalls anzupassen, wenn Art oder Hersteller der Betonbestandteile wechseln oder wenn Abweichungen in der Dosierung der Bindemittelbestandteile und Erhöhungen des Wasser-Bindemittel-Werts (w/b) ausserhalb der in Tabelle ND.1 aufgeführten Bereiche erfolgen.
Die Einhaltung dieser erweiterten Anforderungen an Erstprüfungen und an die werkseigene Produktionskontrolle wird durch die Zertifizierungsstellen bei den nach SN EN 206 zertifizierten Betonherstellern sichergestellt.
Die für die verschiedenen Betonsorten angegebenen Druckfestigkeitsklassen müssen erfüllt werden, wobei projektspezifisch auch andere Druckfestigkeitsklassen gewählt und in besonderen Fällen repräsentative Höchstwerte der Druckfestigkeit festgelegt werden können, etwa um Überfestigkeiten zu vermeiden. Allerdings ist zu beachten, dass hohe Anforderungen an die Dauerhaftigkeit höhere Druckfestigkeiten bedingen können. Diese müssen eine höhere Festigkeitsklasse ausweisen und können in der Bemessung berücksichtigt werden.
Dauerhaftigkeit von Betonen nach nationalem Anhang ND
Bezüglich Dauerhaftigkeit gelten die Regeln gemäss nationalem Anhang NA. Ein Beton nach nationalem Anhang ND muss die Anforderungen für ihre jeweiligen Expositionsklassen erfüllen. Projektspezifisch können auch andere Expositionsklassenkombinationen vereinbart werden. So könnte zum Beispiel eine Betonsorte G ohne Anforderungen an den Karbonatisierungswiderstand vereinbart werden, wenn keine Karbonatisierung zu erwarten ist.
Für einige Expositionsklassen sind in der SN EN 206 keine Prüfungen verlangt. So ist die Klasse XC2 für Betone nach nationalem Anhang ND mit einer Festigkeitsklasse von C20/25 und höher abgedeckt.
Bei chemischem Angriff (Expositionsklasse XA) dürfen Betone nach nationalem Anhang ND nicht eingesetzt werden. Betone nach nationalem Anhang ND mit Anforderungen an die Expositionsklassen XF1 und/oder XD1 dürfen verwendet werden, wenn sie die Anforderung an Expositionsklasse XC4 erfüllen.
Der zunehmende Ersatz des Portlandzementklinkers in den Zementen durch wenig oder nicht reaktive Zumahl- oder Betonzusatzstoffe und die abnehmende Verfügbarkeit reaktiver Zusatzstoffe könnte zu einer Zunahme der Permeabilität der Betone und damit zu einer Reduktion ihres Chloridwiderstands führen. Während die Prüfungen für die Expositionsklassen XD3 etabliert sind, scheint vor dieser Entwicklung auch eine Beurteilung des Chloridwiderstands der Betone für die Expositionsklassen XD1 und XD2a bei Erstprüfung und bei der Freigabe von Zementen und Zusatzstoffen sinnvoll.
Ausblick
Durch den nationalen Anhang ND darf in der Schweiz für Betone nach Eigenschaften erstmals auch das leistungsbezogene Entwurfsverfahren angewendet werden. Die Anforderungen an die Betonsorten müssen dabei erfüllt werden. Aufgrund mangelnder Erfahrung erfordern Betone nach nationalem Anhang ND einen höheren Prüfaufwand. Mit der Einführung der neuen Norm SIA 215/2:2025 «Anforderungen an neue Zusatzstoffe für Beton» ist vor allem die Entwicklung neuer Zusatzstoffe zu erwarten.
Zusammenfassung
Allgemein
- Betone nach nationalem Anhang ND werden nur leistungsbezogen beurteilt und nicht nach ihrer Zusammensetzung.
- Sie sind für Expositionen mit chemischen Angriffen (Expositionsklassen XA) nicht zulässig.
Für Hersteller
- Für Betone nach nationalem Anhang ND ist der Konformitätsnachweis sortenspezifisch (keine Familienbildung) zu erbringen.
Für Anwender
- Betone nach nationalem Anhang ND sind auf die bestellten Anforderungen «massgeschneidert» und weisen ein entsprechend geringes Vorhaltemass aus.
- Die Berücksichtigung der allgemeinen betontechnologischen Vorgaben bezüglich des Einbaus und der Nachbehandlung sind sicherzustellen.