Mit Herz­blut, Ver­ständ­nis und Wil­len

Vor Kurzem erfuhr das Gebäude HPT der ETH Zürich auf dem Campus Hönggerberg eine Sanierung und Modernisierung der Innenbereiche. Das Team um Bob Gysin Partner und Ghisleni Partner bewies viel Fingerspitzengefühl im Umgang mit dem von der städtischen Denkmalpflege inventarisierten Ensemble von Albert Heinrich Steiner.

Publikationsdatum
28-04-2025

Betrachtet man auf der Landeskarte von 1956 bis 1965 das Zürcher Stadtgebiet, fallen einem sofort die aus heutiger Perspektive geringe bauliche Dichte und die weiträumigen Freiflächen auf. Dies erstaunt, weil die Bevölkerung damals (d. h. um das Jahr 1960) nur rund 2 % weniger Einwohnerinnen und Einwohner zählte als heute. Jedenfalls hatte man Ende der 1950er-Jahre, als es um die Standortsuche für eine «Aussenstation» der ETH ging, ohnehin eine andere Wahrnehmung von Dichte und Bauen auf städtischem Gebiet. 

So war in der Schweizerischen Bauzeitung (1959, Heft 14) zu lesen: «Bei der Landsuche kam für das Erweiterungsprojekt auf stadtzürcherischem Boden nur noch das Areal auf dem Hönggerberg in Betracht, welches noch nicht verbaut und genügend gross ist.» Was letztlich zum Entscheid für den Standort auf dem Hönggerberg führte, ist aus heutiger Sicht unklar, zumal gut zehn Jahre später der vergleichbar grosse Campus der Universität Zürich auf dem Irchel entstand. 

Klar ist hingegen, dass der Architekt Albert Heinrich Steiner während dieser Zeit als Schlüsselperson zwei wichtige Ämter bekleidete: zunächst zwischen 1943 und 1956 als Stadtbaumeister und anschliessend bis 1971 als Professor für Architektur und Städtebau an der ETH Zürich. Kurz nach Antritt seiner Professur begann Steiner auf Wunsch des damaligen Schulratspräsidenten Hans Pallmann mit ersten Studien zur ETH-Erweiterung auf dem Hönggerberg. 

Als «Vater» der ersten Stadtzürcher Bauordnung mit Zonenplan war es Steiner offenkundig ein Anliegen, das neue ETH-Areal in der Höngger Hochebene als öffentlich zugängliche Parklandschaft zu erschliessen sowie das landschaftlich wertvolle Gebiet mit Rücksicht auf dessen Bedeutung und im Einvernehmen mit den zuständigen Behörden zu entwickeln.

So geht schliesslich nicht nur die Umsetzung der ersten Bauetappe (1961–1973) auf seinen Bebauungsplan zurück – auch reihte sich die nachfolgende Ausbauetappe (1972–1976) auf dem Hönggerberg in seine Gesamtplanung ein und war nur dank des holistischen Konzepts und den darin reservierten Flächen möglich. 

Trotz aller Weitsicht beobachtete Steiner die Entwicklungen auf dem Hönggerberg zuletzt kritisch und sah sich veranlasst, gegen den Projektwettbewerb im Zuge der dritten Ausbauetappe (1996–2004) zu rekurrieren (vgl. «Alles, was recht ist»). Er sprach dem damaligen Siegerprojekt die gebotene Integration in das bestehende Überbauungskonzept ab, hielt seine Urheberrechte für verletzt und trat letzten Endes erfolglos mit einer Klage ans Bundesgericht.

Notbremse der Denkmalpflege 

Im Zuge der ersten Etappe entstanden nach dem Entwurf und unter der Federführung Steiners die Bauten für die Physik und die Molekularbiologie. Das 1967 bezogene und für die technische Physik und industrielle Forschung geplante Gebäudeensemble HPT war eines der ersten Bauwerke auf dem Hönggerberg. Die architektonische Gestaltung und die geometrisch stringenten Modulmasse der Physikbauten – Steiner arbeitete nach seinem Diplom während dreier Jahre bei Otto Rudolf Salvisberg – tragen die eindeutige Handschrift ihres geistigen Vaters. 

Das Gebäude HPT gilt als bedeutender Zeuge der Nachkriegsmoderne und ist zusammen mit allen übrigen HP-Gebäuden der ersten Ausbauetappe seit dem Jahr 2013 im Inventar der kunst- und kulturhistorischen Schutzobjekte von kommunaler Bedeutung verzeichnet. Neben einer reinen Erhaltung des baukulturellen Erbes sah der Zürcher Stadtrat damals eine unmittelbare Dringlichkeit für die Inventarisierung: Aus einem Protokoll geht hervor, dass zwischen 1960 und 1980 errichtete Bauten zu jener Zeit in besonderem Mass von Sanierungen, wärmetechnischen Massnahmen oder Umnutzungen betroffen waren. Und da diese Bauten häufig nicht den aktuellen energetischen Vorschriften entsprachen, war die Eingriffstiefe oft beträchtlich.

Selbstredend wurde auch das HPT-Gebäude über die vergangenen Jahrzehnte immer wieder punktuell saniert und im Innern umgebaut, zuletzt umfassend im Jahr 2005. Aus Sicht der Denkmalpflege waren die vergangenen Eingriffe allerdings nicht immer befriedigend, weshalb sie nun für die Bewilligung weiterer Sanierungsmassnahmen der Gebäudehülle ein Gesamtkonzept im Umgang mit den Steiner-Bauten auf dem Campus einforderte. 

Dieses Konzept soll insbesondere Massnahmen an der Gebäudehülle und die künftige Landschaftsgestaltung (zusätzlich zu den Bauten ist nämlich auch die Gartenanlage von Willi Neukom im Inventar der schützenswerten Gärten und Anlagen von kommunaler Bedeutung gelistet) in Einklang mit den denkmalpflegerischen Anforderungen bringen. 

Eingriff in ein delikates Gefüge 

Steiner baute sämtliche HP-Bauten auf einem Grundraster von 1.8 m auf – ein Mass, das sich aus einer eingehenden Auseinandersetzung mit den Nutzungsanforderungen ergab. Dazu schrieb er selbst: «Eine konsequente Anwendung dieser Masseinheit im Einklang mit der Einheitlichkeit des Konstruktionsprinzips und der Materialien ergab die technisch und architektonisch befriedigende Lösung der betrieblich heterogenen Anlage.» 

Zur konstruktiven Umsetzung wählte er als Tragsystem eine Betonskelettkonstruktion mit Massivdecken, wobei die Treppenhäuser und Liftschächte als Sichtbetonkuben in Erscheinung treten. Konsequenterweise fiel für die Fassaden die Wahl auf vorfabrizierte Leichtmetall-Elemente. Es lässt sich leicht erkennen, dass die Steiner’sche Setzung vom städtebaulichen Massstab bis ins Detail durchdacht ist und bauliche oder gestalterische Änderungen am Bestand dieses stimmige Gefüge potenziell gefährden. 

Gegen Ende der 2010er-Jahre war das HPT, das aus insgesamt drei miteinander verbundenen Baukörpern (fünfgeschossiger Haupttrakt, dreigeschossiger Südtrakt und eingeschossiger Werkstatttrakt) besteht, baulich in einem dem Alter entsprechenden Zustand – in den Entwicklungsplänen der ETH Zürich waren aber der baldige Einzug des Instituts für Molekulare Pflanzenbiologie vorgesehen und die Laborinfrastruktur und Gebäudetechnik nicht mehr zeitgemäss. 

Damit einhergehend galt es, die Bauten entsprechend der Norm SIA 500 hindernisfrei zu gestalten und feuerpolizeilichen Forderungen nachzukommen. Demnach konnte mit der Sanierung des HPT nicht zugewartet werden, bis das oben erwähnte Gesamtkonzept stand; lediglich die Fassadensanierung wurde bis zum Vorliegen dieser Richtlinien zurückgestellt. 

Konkret sanierte man in den Jahren 2022 bis 2024 den Südtrakt inklusive Büroanbau sowie den Verbindungsbau zwischen Süd- und Haupttrakt im Innern. Der Südtrakt erfuhr einen Rückbau bis auf den Rohbau. Dies war nötig, um das neue Raumprogramm umzusetzen, die Erdbebensicherheit zu erhöhen, Schadstoffe (insbesondere Asbest) rückzubauen, die Gebäudetechnik zu ersetzen und die Labore zu modernisieren. Daneben ergriff man einzelne Umbaumassnahmen im Werkstatttrakt – im Wesentlichen, um die Werkstatt des Departements Physik an einem Ort zu konsolidieren sowie die Anforderungen an den Brandschutz und die Hindernisfreiheit umzusetzen. 

Im Haupttrakt ergriff man Massnahmen zur SIA 500-Konformität, baute den Warenlift sowie die Treppenhäuser um und rüstete die Beleuchtung technisch auf. Da die Massnahmen an der Gebäudehülle aufgrund der genannten Umstände erst in etwa 10 bis 15 Jahren erfolgen werden, achtete man bei den Sanierungsmassnahmen darauf, dass die Fassaden dereinst ohne grösseren Rückbau der neuen Elemente saniert werden können.

Erhalt und Wiederverwertung als oberstes Ziel 

Die wesentlichen Herausforderungen bei der Sanierung standen in engem Zusammenhang mit der Steiner’schen Konstruktionsweise; es galt den bauzeitlichen Charakter und damit das Betonskelett zu bewahren, gleichzeitig aber die heutigen Anforderungen an Sicherheit, Hindernisfreiheit und Labortechnik zu erfüllen. Die Architektinnen und Architekten von Bob Gysin Partner setzten dabei auf das Leitmotto «Flexibilität statt Dogmatismus». Mit dem Erhalt als oberstem Ziel führten sie entweder die Steiner’sche Idee unter Berücksichtigung heutiger Anforderungen weiter, stellten zur Sichtbarmachung des bauzeitlichen Ausdrucks den ursprünglichen Zustand wieder her oder grenzten neu gestaltete Elemente zumindest klar ab.

Das Leitmotto kam demnach in den einzelnen Sanierungsmassnahmen unterschiedlich zum Ausdruck. Grundsätzlich setzte man auf Erhalt, Wiederverwertung und Restaurierung und nicht auf Ersatz – etwa bei Bodenbelägen, Innentüren, Schrankfronten, Metalldeckenverkleidungen oder den Deckenleuchten. Im Verbindungsbau entfernte man neuzeitliche Einbauten und rekonstruierte bauzeitliche Brüstungen. In den Laboren, für die keine denkmalpflegerischen Auflagen gelten, wurde die Raumaufteilung den Bedürfnissen angepasst sowie einzelne Elemente – wie die Auswertungstische – restauriert. 

Hier zeigte also der geometrisch stringente, aber dennoch nutzungsflexible Raster der Grundstruktur seine Vorteile. Bei den Korridortüren erforderten die denkmalpflegerischen und brandschutztechnischen Anforderungen eine individuelle Betrachtung in einem Drittprojekt. Viele Ergänzungen sind additiv und könnten bei Bedarf ohne tiefgreifende Massnahmen wieder zurückgebaut werden; so sind etwa die neuen Elektroleitungen auf Putz geführt oder automatische Türöffner beim Warenlift auf den ursprünglichen Lifttüren angebracht.

Die Sanierung war keine Alltagsaufgabe und erforderte – so ein Vertreter des Projektteams – von jeder und jedem Beteiligten «Herzblut, Verständnis und Wille»; das zeigte sich nicht zuletzt im Farbkonzept, bei dem sich das Planungsteam an der ursprünglichen Farbpalette orientierte und möglichst versuchte, die Patina von alten Bauteilen zu erhalten. Die Sanierung des HPT, das im Dezember 2024 wieder bezogen wurde, war nur ein weiterer Teil der Gesamtaufgabe. 

Da sind zum Beispiel noch die Fassaden, zu denen man derzeit ein Gesamtkonzept erstellt. So sollen die sorgfältige Auseinandersetzung des Projektteams mit dem baukulturell wertvollen Objekt, die zum Teil individuell erarbeiteten Lösungen und die gewonnenen Erkenntnisse für die künftige Sanierung von HP-Gebäuden auf dem Campus als Beispiel gelten.

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